Kampagnentext zum 21. Erinnerungstag im deutschen Fußball an den Spieltagen um den 27. Januar 2025
„dass Auschwitz nie mehr sei!“
Vor 80 Jahren am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Jedes Jahr rund um diesen Tag gedenkt die Fußballfamilie an den Spiel- und Turniertagen der verfolgten, deportierten und ermordeten Menschen im Nationalsozialismus.
Überlebende kämpfen gegen das Verdrängen
Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden mehr als eine Million
Menschen ermordet. Der Name Auschwitz steht heute unter anderem symbolisch für den
Völkermord an den europäischen Jüdinnen*Juden sowie an den Roma* und Sinti* im
Zweiten Weltkrieg. Nach Befreiung des Lagers durch die Rote Armee setzten sich
Überlebende dafür ein, auf dem ehemaligen Gelände eine Gedenkstätte zu errichten. Ein
Umstand, der auf alle ehemaligen Orte von Konzentrationslagern zutrifft. Dass es heute so
viele größere oder kleinere Gedenkstätten gibt, war keine zwangsläufige Entwicklung nach
1945, sondern ein Ergebnis jahrelanger Kämpfe von Überlebenden, ihren Angehörigen und
zivilgesellschaftlichen Initiativen – oft und lange gegen staatliche und gesellschaftliche
Widerstände.
Die Anfänge im Fußball
Auch im Fußball gab es lange Zeit Widerstände, sich mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit auseinanderzusetzen. Stimmen von kritischen Historiker*innen und
Journalist*innen fanden wenig Gehör, und Vereins- sowie Verbandsfunktionär*innen wurden
nicht müde, auf den „unpolitischen Sport“ zu verweisen. Ein Umdenken fand erst mit der
Jahrtausendwende statt. So gab der Deutsche Fußball-Bund 2001 eine Studie zur
Aufarbeitung der Verbandsgeschichte im Nationalsozialismus in Auftrag. Seit 2005 verleiht er
einen Preis an Projekte, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. Namensträger des Preises
ist Julius Hirsch, der mehrfach Deutscher Meister wurde und im deutschen Nationalteam
spielte, bevor er im März 1943 in das KZ Auschwitz deportiert und dort vermutlich direkt
nach seiner Ankunft vergast wurde.
Heute wird Erinnerungsarbeit im Fußball auf vielfältige Art und Weise praktiziert. Hierhin
führte unter anderem das unermüdliche Engagement von Fans und Faninitiativen, die immer
wieder an die Geschichten von verfolgten Vereinsmitgliedern erinnert und so Druck auf die
eigenen Vereine ausgeübt haben. So erinnert die Ultragruppe Schickeria München seit 2009
an den ehemaligen Vereinspräsidenten Bayern Münchens, Kurt Landauer. Heute ist die
Biografie weit über München hinaus bekannt und Teil der Imagepflege des Vereins. Kurt
Landauer wurde verfolgt, weil er Jude war, floh kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in
die Schweiz und konnte so überleben. Ob Ausstellungen über Vereine im Nationalsozialis-mus, Gedenkstättenfahrten oder Recherche- und Bildungsprojekte – oft sind es Fans, Fanprojekte oder aus der Fanszene kommende Vereinsmitarbeiter*innen gewesen, die hier
den Anstoß gegeben haben.
Inspiriert von einer italienischen Kampagne gründete sich 2004 die Initiative „!NieWieder“ und setzt sich seitdem für einen jährlichen „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ rund um den 27. Januar ein. Das Netzwerk aus Fangruppen und -projekten, antirassistischen Bündnissen, Amateur- und Profivereinen, der DFL und dem DFB sowie zahlreichen Personen und Institutionen aus der Zivilgesellschaft und der politischen Bildungsarbeit möchte die Fußballfamilie jährlich dazu anregen, der verfolgten Mitglieder zu gedenken und alles dafür zu tun, „dass Auschwitz nie mehr sei!“.
Leerstellen in der Erinnerungsarbeit
Ein Gedenken rund um den 27. Januar ist bei vielen Proficlubs und etlichen Amateurvereinen
mittlerweile fester Bestandteil eines Spieltags. Gleichzeitig bedeutet aktives
Gedenken mehr als nur das Abdrucken dieses Textes oder das symbolische und oftmals
ritualisierte Vorlesen der Namen von verfolgten Mitgliedern vor der Gedenktafel oder in der
Stadiondurchsage. Es meint vielmehr eine beständige Auseinandersetzung mit
Antisemitismus, Rassismus und anderen Diskriminierungsformen bis heute. Auch weil nur
noch sehr vereinzelt Zeitzeug*innen von ihren Erfahrungen berichten können, liegt es an
uns, deren Geschichten weiterzuerzählen und ihre Wünsche sowie die ihrer Angehörigen
anzuhören und ernst zu nehmen.
Welche Geschichten werden gehört und welche überhört? An wen erinnern wir heute und
an wen nicht? Es liegt an uns, auf Leerstellen wie der Aufarbeitung von Täterschaften
hinzuweisen, Kontinuitäten rechter Gewalt zu benennen (z. B. im Fußball der 1980er Jahre in
der BRD) und Gegenwartsbezüge herzustellen (z. B. mit Blick auf die hohen Wahlgewinne der
AfD im Osten). Aufgrund der großen Strahlkraft des Fußballs ist seine gesellschaftliche
Verantwortung enorm. Eine strukturelle Verankerung des Themas Erinnerungsarbeit in den
Vereinen und Verbänden steht allerdings vielerorts noch aus. Der Kampf für einen Fußball, in
dem sich alle Menschen ohne Diskriminierung wohl fühlen, ist noch nicht beendet: Er ist viel
mehr dringlicher denn je. Ob Fans, Spieler*innen oder Funktionär*innen – nur wenn wir
rassistischen und antisemitischen Denkweisen und rechter Gewalt nicht nur heute, sondern
jeden Tag und vor allem gemeinsam etwas entgegensetzen, können wir gewinnen.
Der vorliegende Aufruf wurde verfasst von der Initiative „!NieWieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“.
Das Netzwerk aus Fangruppen, Fanprojekten, antirassistischen Bündnissen, Amateur- und Profivereinen, der
DFL und des DFB, sowie zahlreichen Personen und Institutionen aus der Zivilgesellschaft, organisiert seit 2003
den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ an den Spieltagen um den 27. Januar. Kernpunkte der Kampagne
sind das mitfühlende Erinnern an das unendliche Leid, das Millionen Menschen in der NS-Zeit erfahren mussten,
mit besonderen Blick auf die preisgegebenen Mitglieder der Fußballfamilie, sowie die unbedingte Forderung,
alles heute zu tun, „dass Auschwitz nie mehr sei!“ Darüber hinaus versteht sich die Kampagne als historischen
und politischen Lern- und Aktionsort, wo sich Menschen, die den Fußball lieben, generationsübergreifend, mit
klugen und kreativen Aktionen im Stadion und in der Zivilgesellschaft für ein demokratisches, den Menschen-rechten verpflichtetes Gemeinwesen, engagieren. www.niewieder.info