Das Bild besteht aus 4 kleinen Fotos mit Bilderunterschriften, davon sind jeweils zwei oben und unten angeordnet und das BBAG-Logo in der Mitte des Bildes. Die Fotos unterscheiden sich ausschließlich durch die Farben. Auf den Fotos sind jeweils drei Fußballspieler auf dem Spielfeld laufend aus zwei Mannschaften zu erkennen. Das Foto oben links simuliert Blaublindheit, das Foto oben rechts simuliert Farbenblindheit, unten links normalsehend und das Foto unten rechts eine Rot- und Grünblindheit.

Auf der letzten Sitzung am 04.12.2023 der DFB-Kommission für Fans und Fankulturen wurde folgendes Positionspapier durch unseren 1. Vorsitzenden eingereicht, welches wir hier auch auf unserer Website vorstellen möchten. Die Verbände haben zugesagt, sich mit den Forderungen weiter zu beschäftigen und diese an die entsprechenden Stellen weiterzureichen; so ist ebenfalls eine Weiterleitung an die DFB-Kommission für Prävention, Sicherheit und Fußballkultur angeregt worden. Rückmeldungen aus den Verbänden sind für das Frühjahr 2024 zugesagt worden.


BBAG-Positionspapier

Kernforderung

Die BBAG ruft DFB, DFL und die ihnen angeschlossenen Vereine und Landesverbände sowie weitere Akteur*innen des organisierten Fußballs auf, die Bedürfnisse von mehr als 1,25 Millionen Menschen mit Farbfehlsichtigkeit im deutschen Fußball künftig systematisiert zu berücksichtigen. Ihre Teilhabebarrieren sollten gezielt entlang bestehender fachlicher bzw. gesetzlicher Richtlinien und Empfehlungen abgebaut werden, um so ein verbessertes Fußballerlebnis für zahlreiche weitere Personengruppen zu ermöglichen.

Dies gilt insbesondere für Bereiche wie Trikotgestaltung und -Auswahl, die Services und Infrastrukturen im Stadion (Hinweisschilder und Wegeleitsysteme, Ordnungsdienstbekleidung) sowie wie für Vorabinformationen und Ticketingsysteme (Gestaltung von Webseiten, digitalen Verkaufsplattformen und Sitzpläne etc.). Die Maßnahmen würden Spieler*innen, Fans, Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden gleichermaßen zugutekommen.

Hintergrund

Farbfehlsichtigkeit ist eine europaweit unterschätzte Beeinträchtigung. Etwa 8% der Männer und 0,5% der Frauen haben eine Form von Farbsehschwäche, diese sind fast immer erblich bedingt. In Europa sind die Fallzahlen weltweit am höchsten. Eine Heilung oder Linderung ist nach heutigem Stand nicht möglich. Betroffene gehen teilweise nicht offen damit um, da sie Stigmatisierung fürchten bzw. dieses auch nicht offen ersichtlich ist. Aufgrund des mangelnden Bewusstseins über den Bedarf in gegenwärtigen Organisationsabläufen und -Strukturen erleben sie immer wieder Ausgrenzung bzw. Benachteiligung und ziehen sich infolgedessen von Freizeitbeschäftigungen oder sogar aus Berufsfeldern zurück.

Dieses trifft im Fußball sowohl auf Spielende, Zuschauende oder auch auf Vereins- und Verbandsmitarbeitende zu. Bei 18 Millionen verkauften Tickets der Bundesliga und Bundesliga 2 im Profi-Männerfußball wären bei einem größeren Anteil (ca. 75 %) der männlichen Zuschauer*innen im Stadion also aktuell mindestens rund 1,25 Millionen Menschen betroffen. Unter den 7,4 Millionen Mitgliedern des DFB wären es mehr als 500.000 Personen. Unter den ca. 1.014 Spielern beider Profiligen der Männer allein gäbe es statistisch 81 Personen mit einer Form der Farbsehschwäche.

Die Einschränkungen für die Betroffenen im Kontext Fußball umfassen beispielhaft folgende Bereiche:

  1. die Unterscheidung der Trikots von Spielenden und Offiziellen bei ähnlicher Farbwahl bzw. mangelnder Helligkeitskontrast ist nur schwer möglich – insbesondere für Spielende und Offizielle kann dies besonders problematische Folgen haben.
  2. Karten- und Fanshops verwenden reine Farbkodierungen, welche Betroffene nicht unterscheiden können (Platzkategorien im Kartenshop oder „Ampel“-Verfügbarkeitsanzeige im Fanshop)
  3. Problematische Farbkombinationen bei Beschilderungen im Stadion, bei Zugangswegen oder bei Infografiken auf der LED-Leinwand – erschweren bzw. verunmöglichen die Orientierung
  4. Dienstkleidung von Ordnungskräften, Rettungspersonal und anderem sicherheitsrelevanten Personal sind ggfs. kaum oder nicht unterscheidbar und erschweren deren Erkennbarkeit im Notfall
  5. Unterscheidung der Kartenfarbe bei Verwarnungen / Platzverweis nur schwer oder nicht möglich, wenn beide Karten aus der Brusttasche des Schiedsrichters gezogen werden

Hinzu kommt: Aufgrund fehlender Systematisierung mussten auch bereits genehmigte Trikots für Spielpaarungen kurzfristig verändert werden, da von einer Farbsehschwäche betroffene Spieler im Kader diese nicht unterscheiden konnten. Die Beeinträchtigungen, die diese Betroffenen besonders stark erleben, wären jedoch durch vergleichsweise einfache Maßnahmen lösbar, und noch mehr: diese könnten letztlich allen Zuschauenden und Mitarbeitenden im Fußball (einschließlich Spieler*innen) zugutekommen und Arbeitsressourcen des Spielbetriebs schonen.

Wichtigste Maßnahmen

Vor diesem Hintergrund ruft die BBAG die Verbände, Vereine und ihnen verbundene Organisationen und Unternehmen im Rahmen ihrer jeweiligen Einflussbereiche dazu auf, mindestens die folgenden Maßnahmen zu ergreifen, um Teilhabeeinschränkungen von Menschen mit Farbsehschwäche gezielt und nachhaltig zu beseitigen oder einzudämmen:

  1. Änderung und Anpassung der Regelwerke mit Vorgaben zur Trikotfarbwahl und -Gestaltung um konkrete Mindestkontrastwerte und Prüfschritte zum Thema vor allem für den Bereich Profifußball, insbesondere
  2. das Fußballregelwerk des DFB, Regel 04, Nr. 3 „Farben“
  3. den Anhang IV zur DFL-Lizenzierungsordnung: Richtlinie für Spielkleidung und Ausrüstung, und dort insb. §3 „Überwachung der Einhaltung der Richtlinie für Spielkleidung und Ausrüstung“, §5 „Farben und Design“ und§ 6 „Inkompatibilität der Farben“
  4. die DFB-Schiedsrichterordnung §8 „Pflichten in Bezug auf das Spiel“, Abs. 3
  5. Leitfaden zur Berücksichtigung von Farbkontrastierung und Farbsehschwäche bereits bei neuen Trikotdesign-Entwicklungsprozessen aufseiten der Sportartikel-Ausrüster, auch unter Berücksichtigung von klar lesbaren Schriftsatzkontrastierungen
  6. Regelmäßige Sensibilisierung von Schiedsrichter*innen und anderen Spieltags-Offiziellen durch Schulungen
  7. Einbau eines automatisierten Checks auf ausreichende Kontrastierung in das existierende Online-Prüftool für Trikots für Fußball-Schiedsrichter*innen
  8. Integration von Vorgaben und Mindeststandards zur Farbkontrastierung gemäß fachlicher internationaler Standards und Normen, vor allem für Beschilderungen und Wegeleitsysteme in Stadien, bei Ordnungsdienstkleidung sowie im Ticketing (unter Berücksichtigung existierender DIN-Normen zu barrierefreiem Bauen und dem internationalen WCAG Standard digitaler Barrierefreiheit)
  9. Einbeziehung der Lebensweltexpertise von Betroffenen und ihrer Interessensvertretungen im Fußball in sämtliche Umsetzungsschritte.

Good Practice Beispiele sind bereits vorhanden

Zum Umgang mit Farbsehschwäche gibt es bereits positive Beispiele und Erfahrungen aus anderen Sportarten hierzulande ebenso wie aus dem europäischen Fußball:

  1. Basketball / BBL: mindestens je ein helles und dunkles Trikot müssen pro Team angeboten werden, Trikots werden der Liga vorgelegt, Heimteam hat immer erste Trikotwahl – Spielordnung, Punkt 6.1 Spielbekleidung
  2. Eishockey / DEL: es wird immer „Hell gegen Dunkel“ gespielt, Trikots müssen 80 % Hell- oder Dunkelanteil haben, Definition erfolgt über Pantone Farbkatalog – Regelwerk DEL2 – Teil E § 3 Trikots auch IHF-Regelbuch Regel 40 Teamkleidung / Feldspieler Nr. IV
  3. Englischer Fußballverband (FA) – umfassender Hinweiskatalog der gemeinnützigen „Color Blind Awareness“ Organisation unterstützt von der UEFA: „Guidance Documents for Football“ einer Infobroschüre auch auf Deutsch

Farbsehschwäche bildete zudem einen Themenschwerpunkt in einem dreijährigen EU-Projekt „GGNAI“ der UEFA-Partnerorganisation CAFE (Center for Access To Football in Europe) gemeinsam mit den Fußball-Ligen, Fußball-Verbänden und Interessensorganisationen von Fans mit Behinderungen aus Belgien, Frankreich und Deutschland. Aus Deutschland sind DFB, DFL und die BBAG als offizielle Partnerorganisationen im Projekt vertreten, welches auch wissenschaftlich begleitet wurde. Im Kontext des Projekts wurde die Verbesserung des Fußballerlebnisses für die Zielgruppe von Menschen mit Farbsehschwäche ebenfalls als eins von mehreren Entwicklungsthemen im deutschen Fußball identifiziert.

Potenzielle Mehrwerte für den Fußball insgesamt

durch die systematische Berücksichtigung der Zugangsbedürfnisse von Menschen mit Farbfehlsichtigkeit:

  1. Zusatzeinnahmen durch verbesserte Teilhabemöglichkeiten für betroffene Zuschauer*innen und Konsument*innen
  2. Unterstützung für betroffene und nicht-betroffene Spieler von Farbsehschwäche und Schiedsrichter*innen bei Ausübung ihres Berufs
  3. Zukunftsorientierte Berücksichtigung sich verändernder Zusammensetzungen von Zuschauenden und Mitarbeitenden im Fußball vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
  4. Schaffung von mehr Sicherheit und Orientierung für alle im Stadion (einschließlich Erfüllung bestehender DIN-Normen zur barrierefreien Farbgestaltung im Bereich von Wegeleitung und Beschilderung)
  5. DFB, DFL und Fußballvereine werden Vorbild für gesamtgesellschaftliche Teilhabe und die Umsetzung bestehender Richtlinien und Empfehlungen
  6. Mehrwert auch für Medien-Vertreter*innen, wie Reporterinnen und Reporter, da klarere Erkennung der Spieler*innen und Rückennummern durch ausreichende Kontrastierung auch des Trikotschriftsatzes

 

Weitere Informationen & Kontakt

Eine Materialsammlung mit weiterführenden Hintergrundinformationen zu Farbsehschwäche findet sich auch auf der Webseite unseres Mitglieds „Interessenverband der Farbsehschwachen und Farbenblinden e. V.“

Für weitere Mitarbeit und Begleitung etwaiger Umsetzungsschritte stehen der Vorstand der BBAG, seine Mitglieder ebenso wie die BBAG-eigene Beratungsstelle KickIn! für Inklusion & Diversität im Fußball zur Verfügung.

 

Stand: Dezember 2023